Cospuden, Hain oder Schladitz: Dutzende Dörfer im Raum Leipzig mussten in den vergangenen Jahrzehnten für die Braunkohle weichen. Wo einst Häuser und Kirchen standen, befinden sich heute Seen. Ihre Namen erinnern an längst verschwundene Orte. Das Projekt “Im Verschwinden erscheint es: Eythra/Bösdorf” des Syndikats Gefährliche Liebschaften gewann in der Kategorie ReWIR 2019 ein Preisgeld. Das Projekt hat vor allem die Eythra Umsiedlung zum Thema.
Was ist die Idee des Projektes?
Wie viele andere Dörfer sind Eythra und Bösdorf zu Beginn der 1980er dem Tagebau im Leipziger Südraum gewichen. Bewohner und ansässige Firmen mussten umziehen. Mit der Eythra Umsiedlung verschwand der Ort aus dem öffentlichen Bewusstsein. Doch trotz der Zerstörung sind viele Dörfer noch lebendig. So blühen Eythraer Rosen jetzt in Grünauer Gärten und die Frauensportgruppe sowie die Freiwillige Feuerwehr von Eythra treffen sich weiterhin regelmäßig.
Seit Jahren setzt sich die Interessengemeinschaft Eythra/Bösdorf für das Wachhalten der Erinnerungen ein und wird dabei vom Soziokulturzentrum KOMM-Haus unterstützt. Bislang beschränkte sich diese Arbeit auf triennale Treffen aller Ehemaligen. Das Projekt will nun neue Wege für die Heimat-Erinnerung ausprobieren. Hierbei wird die besondere Historie für ein jüngeres und diverseres Publikum lebendig gemacht: In einem partizipativen Theaterstück erzählen Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner, die nach Grünau gezogen sind (oder sich bewusst dagegen entschieden haben), von ihrem Blick auf die Großwohnsiedlung.
Denn wie die Dorfgemeinschaften in diesem neuen Kontext fortleben konnten, ist ein bislang nicht erzähltes Kapitel sowohl in der Geschichte der Dörfer als auch von Grünau. Dabei sind einige Straßen Grünaus nach devastierten Dörfern benannt worden. Sogar manche Blocks sollen komplett mit Menschen aus demselben Ort belegt gewesen sein. Mit der Theaterinszenierung soll gezeigt werden, dass die Geschichte Leipzigs tief mit der Geschichte des Umlandes verwoben ist. Es soll klar werden, warum die Fragen des Strukturwandels auch die Leipziger Stadtbevölkerung betreffen.
Das Projekt ist als zeitgenössisches Stationentheater angelegt. Das Publikum erlebt, wie die verlorenen Dörfer inmitten von Grünaus Architektur lebendig werden. Dadurch kommen die Gäste miteinander ins Gespräch.
Wie wurde das Projekt umgesetzt?
Am 6. Dezember 2019 und am 10. Januar 2020 hat das Syndikat “Gefährliche Liebschaften” gemeinsam mit ehemaligen Einwohnerinnen und Einwohner von Eythra und Bösdorf einen Abend veranstaltet. Die Erwartungen wurden dabei übertroffen und es konnten insgesamt über 120 Gäste begrüßt werden. Die Idee von einem gemeinsamen Spaziergang durch Leipzig-Grünau wurde zu zwei Abenden im KOMM-Haus weiterentwickelt. Gründe hierfür waren unter anderem die körperliche Konstitution der Beteiligten und auch des potentiellen Publikums. Die Künstler sind sehr glücklich über das Ergebnis und haben viel Zuspruch erhalten.
Weiterführende Informationen
Eine Reise von Syndikat Gefährliche Liebschaften: Micha Kranixfeld, Aishe Spalthoff, Silvan Stephan, Felix Worpenberg.
Kostüm- & Bühnenbild: Katharina Becklas.
Licht: Maik Dankert
In Kooperation mit Bürgerinnen und Bürger aus Eythra und dem KOMM-Haus in Leipzig-Grünau.
Gefördert durch den Fonds Soziokultur, den Sächsischen Mitmach-Fonds und das Kulturamt der Stadt Leipzig. Das Syndikat wird durch LOFFT – DAS THEATER in seinem Artist Development Programme gefördert.