Das freie Theaterensemble “Ensemble Jedermann” will vor allem junge Menschen ansprechen und zurück in die Theatersäle holen. Die Künstlerinnen und Künstler sind zwischen 18 und 26 Jahre alt und Schauspielamateure. Für die Umsetzung des Projektes “Deutschland. Ein Märchenwald” gewann das Theaterensemble ein Preisgeld in der Kategorie ReWIR.
Welche Idee hat das Theaterensemble?
Das Projekt „Deutschland. Ein Märchenwald.“ des Theaterensembles beschäftigt sich mit Heimats- und Fremdheitserfahrungen in Deutschland 2019. Gemeinsam mit jungen Menschen im Alter von 17 – 25 Jahren erarbeiten die Künstler ein Stück, das sich dezidiert mit den Ursprüngen der Angst vor dem Fremden auseinandersetzt. Dabei werden aktuellen Themen in Sachsen – Migration und die Rückführung des Wolfes – gleichermaßen aufgeriffen und miteinander verwebt. Als prägendes Motiv dient dabei der (Märchen-)Wald, von jeher sowohl Heimats- als auch Angstort für viele Menschen.
In der Beschäftigung mit den genannten Themenfeldern wollen die Künstler die Teilnehmenden für ein gemeinschaftliches Miteinander und die Auseinandersetzung mit aktuellen Kontroversen gleichermaßen sensibilisieren. Das Theater wirkt dabei zudem als Katalysator. Es bietet den in der Gruppe erarbeiteten Standpunkten und künstlerischen Positionen eine öffentliche Wirksamkeit, die Aufführung.
Als Aufführungsort steht das Ost-Passage Theater in der Leipziger Eisenbahnstraße zur Verfügung. Dieser Ort steht selbst im Zentrum einer Auseinandersetzung mit Gemeinschaft und Nachbarschaft.
Die Proben zu dem Projekt fanden im Sommer 2019 und die Premiere im Dezember 2019 statt. Mit der Durchführung des Projekts wird das Regieduo Ursula Kohl und Max Latinski betraut.
Was will das Theaterensemble mit dem Projekt erreichen?
Deutschland. Ein Märchenwald. ist ein Stück über die aktuelle politische Stimmung in Deutschland. Folgende Angstthemen, die oft irrational sind, wurden aufgegriffen:
- Angst vor dem Fremden
- Angst vor Identitätsverlust
Wie aber kommt es, dass private Ängste das politische Geschehen derart bestimmen und wohin wird uns unser von Angst geleitetes Handeln führen? Bei der Produktion handelt es sich um eine Szenencollage. Mit Hilfe von Theater, Tanz und Videoprojektionen wird versucht, dieser Frage nachzuspüren.
Während der Stückentwicklung hat sich die künstlerische Leitung zusammen mit den Schauspielenden auf eingehende Spurensuche in den „deutschen Märchenwald“ begeben:
- Was verstehen wir unter deutscher Kultur, unter deutschem Kulturgut?
- Haben wir eine nationale Identität und wenn ja, worauf gründet sie sich?
Die Hausmärchen der Gebrüder Grimm gelten als Vorzeigebeispiel der deutschen Kultur, doch wer deren Originalfassung kennt, wird sich bald fragen, was an ihnen so „märchenhaftes“ ist. Eine ähnliche Ambivalenz wohnt auch dem Wald inne: Er gilt als idyllischer Rückzugsort, ist aber gleichzeitig auch Projektionsfläche für mancherlei Ängste, die dem Menschen zu schaffen machen.
Die Idee hinter der Inszenierung ist es, die Angst und was sie mit uns anstellt nicht nur auf der Bühne zu zeigen, sondern die Zuschauenden die Angst selbst nachempfinden zu lassen, das Hineinsteigern in dieses Gefühl und schlussendlich deren Eskalation. Die Szenen des Stückes sind wie die einzelnen Handlungsschritte eines Rituals aufgebaut. Dieses Ritual wird von Schauspielenden und Publikum durchlaufen. Es ist ein Ritual das sich so oder so ähnlich häufig in der Menschheitsgeschichte findet und das vielleicht gerade im Begriff ist, erneut zu beginnen. Eine Gesellschaft sieht ihren Stern im Sinken begriffen. Die Angst um den Wohlstand treibt sie an, sich einen Sündenbock zu suchen. Eine hektische, willkürliche Jagd beginnt und das vermeintlich Böse aus der Gesellschaft entfernt, um einen angenommen Ursprungszustand wiederherzustellen.
Wann fanden die Aufführungen statt?
Die Vorführungen des Stückes fanden an zwei verschiedenen Orten statt. Premiere feierte das Projekt am 13. Dezember 2019 im Ost-Passage-Theater in Leipzig. Zwei Aufführungen gab es im Projekttheater in der Dresdener Neustadt. Die Premiere und auch die zweite Vorstellung waren annähernd ausverkauft.
Das Feedback ist überwiegend sehr positiv ausgefallen. Den Zuschauenden gefiel die Einbindung des Publikums in den Prozess und es herrschte nach dem Stück noch ein reger kritischer Austausch über das eigene Verhalten und die Handlungsmöglichkeiten des Publikums. Des Weiteren wurde der Einsatz vielfältiger Ausdrucksformen, wie Videoprojektion und Tanz gelobt.
Ausblick und weiterführende Links
Internetseite des Ensemble Jedermann